Ungleichgewichtstheorie

Ungleichgewichtstheorie
Ungleichgewichts|theorie,
 
Sammelbezeichnung für zahlreiche Konzepte zur Erklärung dauerhafter Abweichungen vom allgemeinen Gleichgewicht gemäß der Neoklassik. Als Leitvorstellung wird oft angenommen, dass Disharmonie den Normalzustand ökonomischer Systeme beschreibe. Hinter dem Begriff Ungleichgewichtstheorie verbergen sich sehr unterschiedliche Ansätze, die von modifizierten neoklassischen Modellen über keynesianische und postkeynesianische Modelle bis hin zu Antigleichgewichtstheorien reichen. Auch die Anwendung der Chaostheorie auf ökonomische Zusammenhänge kann zu den Ungleichgewichtstheorien gezählt werden. - Besonders bekannt ist die von Don Patinkin (* 1922), Robert Joseph Barro (* 1944), Herschel J. Grossmann (* 1939) und Edmond Malinvaud (* 1923) entwickelte keynesianische Ungleichgewichtstheorie (neue keynesianische Makroökonomik). Im Gegensatz zum klassischen Preis- beziehungsweise Marktmechanismus (Preis ) eilen Mengenanpassungen als Reaktion auf veränderte Angebots- und Nachfrageverhältnisse den Preisänderungen voraus. Preise reagieren also langsamer als Mengen. In einer einfachen Analyse werden die Preise konstant gehalten; die Bewegung zum Gleichgewichtspreis, der den Markt räumt, unterbleibt. Es kommt zu einer Markttransaktion bei nicht markträumenden Preisen (False Trading), wobei die »kürzere« Marktseite über die abgesetzte Menge entscheidet. Die »längere« Marktseite wird rationiert; d. h., entweder können Anbieter einen Teil ihres Angebots nicht absetzen (Käufermarkt) oder ein Teil der Nachfrage kann nicht befriedigt werden (Verkäufermarkt). Aufgrund der Rationierung kommt es zu Übertragungs- und Rückkopplungseffekten auf anderen Märkten, bis theoretisch ein neues Gleichgewicht bei allerdings gesunkenem Transaktionsvolumen erreicht ist (Gleichgewicht bei Mengenrationierung). So führt z. B. ein Überangebot auf dem Arbeitsmarkt bei nach unten starren Löhnen zur Rationierung der Arbeitsanbieter (Arbeitslosigkeit), zu niedrigeren Einkommen und damit auch zu einer sinkenden Nachfrage nach Konsumgütern. Das Überangebot auf dem Gütermarkt hat bei nach unten starren Preisen eine Rationierung der Hersteller zur Folge, die ihr geplantes Angebot nicht mehr absetzen können und daraufhin ihre Produktion und Arbeitsnachfrage einschränken.
 
 
K. W. Rothschild: Einf. in die U. (1981);
 F. Schleicher: Keynesian. makroökonom. Modelle in der Interpretation der U. (1988);
 L. Gerken: U. im Mehr-Sektoren-Modell (1989).

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Edmond Malinvaud — Gérard Debreu (links), Yves Balasko (Mitte) und Edmond Malinvaud (rechts) Edmond Camille Malinvaud (* 25. April 1923 in Limoges, Frankreich) ist ein französischer Wirtschaftswissenschaftler. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Konjunkturtheorie — Die Konjunkturtheorie untersucht und beschreibt die Ursachen und Auswirkungen der Konjunktur und des Konjunkturzyklus. Im Jahre 1937 wurde von Gottfried Haberler, im Auftrag des damaligen Völkerbundes, eine Systematik sowie ein Überblick über die …   Deutsch Wikipedia

  • Kurt Rothschild — Kurt W. Rothschild Kurt W. Rothschild (* 21. Oktober 1914 in Wien) ist österreichischer Wirtschaftswissenschaftler. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Aus und Weiterbildung …   Deutsch Wikipedia

  • Malinvaud — Gérard Debreu (links), Yves Balasko (Mitte) und Edmond Malinvaud (rechts) Edmond Camille Malinvaud (* 25. April 1923 in Limoges, Frankreich) ist ein französischer Wirtschaftswissenschaftler. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Kurt W. Rothschild — Kurt W. Rothschild, April 2006 Kurt W. Rothschild (Kurt Wilhelm Rothschild; * 21. Oktober 1914 in Wien; † 15. November 2010 in Wien[1]) war ein österreichischer Wirtschaftswissenschaftler. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Volkswirtschaftslehre — Nationalökonomie (veraltet); VWL; ökonomische Theorie; Sozialökonomie * * * Vọlks|wirt|schafts|leh|re 〈f. 19; unz.〉 Lehre von der Volkswirtschaft; Sy Nationalökonomie, politische Ökonomie, Politökonomie, Sozialökonomie * * *… …   Universal-Lexikon

  • Rationierung — Zuweisung; Zumessung; Zuerkennung; Zuteilung; Kontingentierung * * * Ra|ti|o|nie|rung 〈f. 20〉 das Rationieren ● Rationierung von Lebensmitteln * * * Ra|ti|o|nie|rung, die; , en: das Rationieren; das Rationiertwerden. * * * Ration …   Universal-Lexikon

  • Makroökonomik — Makroökonomie * * * ◆ Ma|kro|öko|no|mik 〈f.; ; unz.; Wirtsch.〉 Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft, das sich der Betrachtung gesamtwirtschaftl. Größen widmet; oV Makroökonomie; Ggs Mikroökonomik ◆ Die Buchstabenfolge ma|kr... kann in… …   Universal-Lexikon

  • Keynesianismus — Keyne|si|a|nịs|mus 〈[kɛınzı ] m.; ; unz.; Wirtsch.〉 nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit prägende wirtschaftspolitische u. theoretische Lehre (u. ihre Weiterentwicklungen), die erstmals grundlegend die Möglichkeit eines wirtschaftl.… …   Universal-Lexikon

  • False Trading —   [ fɔːls treɪdɪȖ; englisch »falscher Handel«] das, (s), Bezeichnung für Transaktionen auf Märkten zu nicht markträumenden Preisen in der Ungleichgewichtstheorie der neuen Makroökonomik …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”